Informationen zum KZ-Außenlager Ellrich-Juliushütte

Ein Gedächtnisprotokoll von Ingeborg Schädlich vom 06.06.2019

Der NDR zeigte heute am 06.06.2019 Fotos von Leichenfunden bzw. Knochen bisher unbekannter Opfer aus einem Konzentrationslager aus dem 2 . Weltkrieg. Der Fundort wurde bezeichnet als Ellrich-Juliushütte.

Aus meiner Erinnerung schreibe ich alles, was ich damals erfahren habe.
Die Juliushütte war eine Holzmehlfabrik mit kriegswichtiger Produktion. Es soll sich um Pelzherstellung für warme Kleidung für Soldaten an der Front gehandelt haben. Später härte ich von einem Cousin, daß eine bestimmte Holzmehlkörnung für die Politur von Flugzeugflächen in einem Flugzeugwerk in Dessau gebraucht wurde; der Cousin hatte dort gearbeitet. Die Juliushütte war ein sog. „kriegswichtiger Betrieb“. Der Betriebsleiter wurde daher nicht zum Wehrdienst eingezogen. Es gab noch einen Vorarbeiter und zwei oder drei einfache Arbeiter.
Ein nahegelegener Wald hieß “Das Himmelreich“. Es ging von dort bergab: Die Firma und auch das Privatwohnhaus des Firmeninhabers Armin Trinks sowie noch etwa ein weiteres Wohnhaus lagen in der Geländesenke, ferner nahebei im Wald ein kleiner Teich, der sog. “Pontel“. Er konnte als Feuerlöschteich nicht gebraucht werden, weil die Ellricher Feuerwehr dazu die Genehmigung der damaligen DDR-Regierung zum Überschreiten der Grenze nicht erhielt, um das – durch Funkenflug in der Holzmehlfirma ausgebrochene Feuer zu löschen. Die Firma brannte total ab. Sie wurde danach nach Bad Lauterberg verlegt, und zwar in Betongebäude der von der Nazi-Regierung zum Bau der V2-Waffe benutzten Bauten (ich habe einen Tresorraum mit dicken Betonwänden und geöffneter Tür besichtigt).
Bei Niedersachswerfen gab es das Kriegsgefangenenlager “Dora“ mit Höhlen, in denen Munition hergestellt wurde. Die dort verstorbenen Kriegsgefangenen wurden vor dem Wald des sog. “Himmelreichs“ verbrannt. Der Geruch der brennenden Leichen drang bis hin zur Juliushütte.
Wenn die Kriegsgefangenen ein Medikament benötigten, war es verboten, das zu kaufen. Der Lagerarzt schrieb den Namen der Medizin heimlich auf einen Zeitungsrand, und diese Zeitung wurde von einem Fuhrmann mit “nach draußen“ genommen. Wer es dann gekauft und aus Mitleid besorgt und ebenso heimlich wieder eingeschmuggelt hat, darüber wurde nie gesprochen. Das wäre auch gefährlich gewesen.
Zwei Kriegsgefangene wurden eine zeitlang der Firma Trinks als Hilfsarbeiter zugewiesen (der Firmeninhaber hatte sie wohl angefordert – zum Säcketragen usw.). Sie bekamen mittags streng rationierte Erbsensuppe. Die Austeilung wurde ohne Namen vorgenommen, um Streit zu vermeiden.
Nach dem Krieg kamen polnische ehemalige Lager-Dora-Arbeiter und schikanierten die Bad Sachsaer Bevölkerung , um sich zu rächen. Das wurde durch Nachbarn der Betroffenen verhindert, indem man sich zu
Gruppen zusammentat, sich gegenseitig warnte und kampfbereit auftrat.
Wann und von wem nach dem Krieg das Lager Dora aufgelöst wurde, ist mir nicht bekannt. Möglicherweise waren es amerikanische Besatzungstruppen.