Reviere und Kindheitserinnerung
Hier noch ein kleiner Text, den ich als Antwort auf eine Zuschrift im Forum der „Goslarer Geschichten“ geschrieben habe.
Es geht darin und Kindheits- und Jugenderinnerungen in Goslarer „Revieren“.
„Schön, daß man hier solche Geschichten kennt und mitteilt – vielen Dank dafür!
Das „Revier“ Rammelsberger Straße kenne ich nicht so gut, die Gegend aber schon.
Ich bin im Haus Peterstraße 12 (Ecke Beekstraße) aufgewachsen, bis ich 8 oder 9 Jahre alt war. Danach sind wir nach Kramerswinkel gezogen. Natürlich kannte ich das Revier da von der Bergstraße bis zur Goetheschule (das war natürlich auch ab 1963 meine Grundschule gewesen, allerdings eben nicht allzu lange). Meyenburgs SPAR-Laden, der Schuster in der Bergstraße, die Heißmangel unten in der Peterstraße, die Mostrichfabrik – das gehört auch zu meinen Erinnerungen. Auch die schönen Parkanlagen oben am Beek und über den Nonnenweg hinüber unten in diesem merkwürdig tiefliegenden Rondell – die heute leider völlig verwahrlost sind!
Aber viel weiter die Beekstraße hinunter als bis zum Frankenberger Plan ging das damals für uns noch nicht. Ich erinnere mich an die Bäckerei gegenüber vom Brunnen, die damals noch „Wietfeld“ hieß, und an der Ecke Kettenstraße war die dicke Frau Vorlop mit ihrem Milchladen, die immer die Milch mit einer Hebelpumpe in meine verbeulte (Alu-)Milchkanne hineinpumpte. Auch die Ziegen- und Kuhherden sehe ich noch vor mir, obwohl ich da noch ziemlich klein war. Die kamen ja auch durch die Peterstraße und wir rannten immer ein Stück weit mit. Die Frauen standen oft mit Besen in der Hand in den Türen, um die Kühe mit eben dem Besen mehr oder weniger sanft vom Gehweg herunter wieder auf die Kopfsteinpflasterstraße zurück zu schieben – damit se nich hinnerher die ganze Kuhschaaße wieda vom Bürjersteich wechputzen mußten 🙂 Es gab mal in der GZ (etwa 1962) ein Bild davon, auf dem zwar keine der Frauen, aber dafür unter anderen Buben sogar ich mit drauf sein soll. Mein Eltern müssen es ja wissen und die hatten es aufgehoben. Ich habe es auf meine Art auch aufgehoben – nämlich auf einer meiner „Hobby-Blog-Seiten“ – und entsprechende Erläuterungen dazu verfaßt. Hier ist der Link: https://www.basswort.de/archiv-bild/
Mein bester Freund war „Mattjes“ – Matthias Witzig, der heute in Wischhafen wohnt – der jüngste Sohn vom Frankenberger Pastor Witzig. Die wohnten ja direkt am Plan. Mein Vater war übrigens Lehrer für Deutsch und Musik an der Christian-von-Dohm-Schule. Ich bin auch Musiker geworden, bereits 1976 aus Goslar weggezogen und lebe heute in Frankenthal in der Pfalz (s. ggf. www.johannesschaedlich.de).
Am blauen Haufen waren wir Kinder schon öfters mal, aber wir spielten, wie gesagt, immer um den Frankenberger Plan herum bis rauf zum Rabenkopf und Steinberg. Um den Frankenberger Teich herum konnten wir in den damals noch langen Wintern oft Schlitten- und manchmal sogar Schlittschuhfahren. Wir waren zielsicher mit Schneebällen und ich konnte mit meinen 7 Jahren vom Plan aus einen Schneeball über das hohe Dach vom Kleinen Heiligen Kreuz bis auf den Beek schmeißen. Oder umgekehrt. Darauf war ich stolz.
Zu meinem heutigen Bedauern haben wir so gut wie kein Goslärsch gelernt. Wir sprachen ein regional, also goslärsch eingefärbtes Deutsch, das man für „Hochdeutsch“ hielt – wie es eben überall so ist, wo die Mundart allmählich ausstirbt. Obwohl es ja nicht viel vom echten Goslärsch enthält, höre ich es doch sehr oft sofort heraus, wenn einer aus Goslar sein Pseudo-Hochdeutsch spricht – wie zum Beispiel den Genossen Sigmar Gabriel. Mein Großvater war übrigens ein echter Benneckensteiner, der sogar Geschichten und Theaterstücke schrieb – größtenteils in der Mundart. Unter anderem darüber schreibe ich übrigens ein wenig auf einer (weiteren) meiner „Hobby-Blog-Seiten“ (s. ggf. www.urongsch.de).
Gerade wie ich das hier mit dem Winter schreibe, kommt mir ein Vorfall in Erinnerung, an den ich lange nicht gedacht hatte: Ein damals etwa siebenjähriger Junge (den ich aber nur so vom Sehen kannte), der in einem der Häuser genau unterhalb vom Teich wohnte, brach am Ufer ins Eis ein – es war eben doch noch zu dünn gewesen. Ich sehe es bis heute, wie das Eis in Stücke brach und er sofort komplett bis über den Kopf im Wasser verschwand – aber Gott sei Dank schon nach ein paar Sekunden wieder auftauchte – bald als hätte er sich am Teichgrund mit den Füßen abstoßen können. Er schaffte es auch, flink wie ein Wiesel ganz allein auf das Eis zurück, das dabei in noch mehr Stücke zerbrach und kämpfte sich in Windeseile ans Ufer zurück, triefnass wie er war. Dann sehe ich ihn noch weiterhin triefend wie ein nasser Hund aus Leibeskräften den Weg zum Elternhaus hinunterrennen – und wir sagten alle noch: Hat der ein Glück, daß er so hier nahe wohnt! Das war wohl an einem Vormittag gewesen, denn ich weiß noch: Nachmittags war er schon wieder da und spielte wieder mit, als wäre nichts gewesen.
Wir waren eben als Kinder bei so ziemlich jedem Wetter immer vielstundenlang draußen. Wir mußten nur zum Abendbrot rechtzeitig wieder zu Hause sein, ansonsten mußten unsere Eltern sich noch so gut wie keine Sorgen um uns machen. Wir kamen zurecht und es gab ja auch noch ganz wenig Autos – wir spielten oft auf der Straße und wenn mal ein Auto kam, gingen wir halt eben mal auf die Seite.
So weit mal für heute mit dieser kleinen Geschichte von mir.
Schöne Grüße in der Runde!“